Betroffene wechseln automatisch in die Grund- oder Ersatzversorgung. Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein (VZSH) hat stichprobenartig die aktuellen Preise zu Strom und Gas in Schleswig-Holstein geprüft. Ergebnis: Das Gefälle ist groß.
Bei den Energieversorgern, die unterschiedliche Preise in der Grund- und Ersatzversorgung für Neu- und Bestandskunden eingeführt haben, sind die Kosten für neue Kunden am höchsten. Für Strom wurde bei der Stichprobe ein Jahresverbrauch von 3.000 Kilowattstunden zu Grunde gelegt. Das entspricht in etwa dem Bedarf eines Drei-Personen-Haushalts. „Bei den 32 betrachteten Unternehmen fallen bei den Kosten für Grund- und Ersatzversorgung große Unterschiede auf: In Reinbek beispielsweise liegen die Kosten bei rund 1.000 Euro, in Neumünster bei 2.300 Euro“, so Tom Janneck, Leiter des Referates Energiewende und Nachhaltigkeit bei der VZSH. Dabei gehören die Stadtwerke Neumünster zu den acht Unternehmen in der Stichprobe, die seit Dezember 2021 differenzierte Tarife für Bestands- und Neukunden eingeführt haben oder kurz davorstehen. Der Kostenunterschied liegt für die beiden Kundengruppen bei diesen Unternehmen weit auseinander. So zahlen Neukunden in Eutin in der Stromersatzversorgung nur knapp 15 Prozent mehr als die Bestandskunden, in Glückstadt sind es 107 Prozent. Nach Ansicht der VZSH ist die Unterscheidung von Kunden nach dem Zeitpunkt ihres Eintritts in die Grundversorgung mit Strom weder mit dem Energiewirtschaftsgesetz noch mit EU-Recht zu vereinbaren. Insbesondere die Richtlinie über den Elektrizitätsbinnenmarkt der EU sieht nach Artikel 27 ein Recht auf eine Stromgrundversorgung von Haushaltskunden zu diskriminierungsfreien Preisen vor.
Für Gas zahlen Neukunden über 100 Prozent mehr
Bei der Gasversorgung sind die Unterschiede noch deutlicher. Hier wurden ebenfalls 32 Energieversorger betrachtet und ein Verbrauch von 11.500 Kilowattstunden im Jahr zu Grunde gelegt. Dies entspricht dem üblichen Verbrauch eines Drei-Personen-Haushalts, der auch für die Warmwasserbereitung Gas nutzt. Dafür zahlen Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung in Pinneberg knapp 940 Euro pro Jahr, in Itzehoe mit gut 3.100 Euro mehr als das Dreifache. Insgesamt sieben der betrachteten Unternehmen haben für Gas differenzierte Preise für Neu- und Bestandskunden in der Grund- und Ersatzversorgung eingeführt. Dabei zahlen Neukunden in Kiel 66 Prozent mehr als Bestandskunden, in Glückstadt ist der Unterschied mit gut 170 Prozent am größten.
Aufsichtsbehörden sind gefordert
„Unabhängig davon, ob die Aufteilung in einen Neu- und Bestandskundentarif rechtmäßig ist, sind die großen Unterschiede bei den Preiserhöhungen nicht nachvollziehbar“, so Tom Janneck. „Die Einkaufsstrategie der Energieversorger spielt sicherlich eine Rolle, aber es ist nicht vermittelbar, dass ein Neukunde mehr als doppelt so viel bezahlt wie ein Bestandskunde.“ Haushalte mit geringem Einkommen sind hier besonders betroffen, wenn sie in die Ersatzversorgung fallen, da deren Anteil für Wohnenergie an den Konsumausgaben prozentual überdurchschnittlich hoch ist. Die Preise für Strom- und Gas in der Grund- und Ersatzversorgung unterliegen grundsätzlich der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle. Die Landeskartellbehörde für Energie in Schleswig-Holstein hat in einem Austausch zu diesem Thema signalisiert, die Entwicklung sehr genau beobachten zu wollen. „Intransparente Geschäftsmodelle bei Billiganbietern und überhöhte Preise müssen von Aufsichtsbehörden oder durch gesetzliche Regelungen begrenzt werden“, so Tom Janneck. „Die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern bietet die größte Sicherheit für stabile Preise.“
Das können Betroffene tun
Betroffene sollten dem Ersatz- und Grundversorger schriftlich mitteilen, dass sie die Aufspaltung der Grundversorgung für unzulässig halten, dem Neukundentarif widersprechen und eine Belieferung im Rahmen der Grundversorgung zu den Preisen des Tarifs für Bestandskunden fordern. Die Verbraucherzentrale bietet dazu einen Musterbrief an. Darüber hinaus empfiehlt es sich, den Neukundentarif unter Vorbehalt zu bezahlen. Unterstützung erhalten Betroffene bei der Rechtsberatung der Verbraucherzentrale.